[Entscheidungsfreude und Locus of Control]
Dateiname: Mindset - Entscheidungsfreude und Verantwortung.md
Tags: entschlusskraft locus_of_control verantwortung highlander_prinzip psychologie decision_making
Kernaussage
Entscheidungsfreude (Entschlusskraft) in Krisenlagen resultiert aus einem internalen „Locus of Control“ – der Überzeugung, Situationen aktiv gestalten zu können – und der Bereitschaft, Verantwortung unteilbar zu übernehmen (Highlander-Prinzip), gestützt durch strukturierte Heuristiken („Ten-for-Ten“), die Entscheidungsträgheit überwinden.
Kontext aus der Quelle
Der Autor von „Lagen führen“ 1 identifiziert Entscheidungsschwäche als zentrales Versagen: Defizite liegen oft nicht am Fachwissen, sondern am „Nichteinhalten dieses Schemas […] aus Ignoranz und Überschätzung“ oder der Unfähigkeit, Impulshandlungen zu unterdrücken.1
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Der Imperativ des Entschlusses: „Der Wachleiter will nun einen Entschluss fassen“.1 Das Dokument warnt davor, den Führungsprozess als Sieb zu nutzen (Informationen reduzieren ohne Output) statt als Trichter, der zwingend in einem Entschluss münden muss.
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Struktur gegen Paralyse: Das Dokument gibt vor, verschiedene Möglichkeiten abzuwägen (Möglichkeit 1, 2, 3 1), räumt aber ein: „Wer stellt schon in der Praxis wirklich immer verschiedene […] Handlungsmöglichkeiten auf?“. Dennoch wird dies als Methode gefordert, um den Handlungsspielraum nicht unnötig zu schmälern.
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Zeitmanagement der Entscheidung: Mit der Methode „Ten-for-Ten“ 1 wird ein explizites Werkzeug vorgestellt, um in der Hitze des Gefechts Raum für Entscheidungen zu schaffen.
Transfer: Warum ist das wichtig?
1. Internaler vs. Externaler Locus of Control
Psychologisch lässt sich die Fähigkeit zur Führung in der Krise stark mit dem Konzept des Locus of Control (Kontrollüberzeugung) verknüpfen.14
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Internaler Locus of Control: Die Führungskraft glaubt: „Ich kann diese chaotische Lage durch meine Entscheidungen beeinflussen.“ Dies führt zu proaktivem Handeln, Verantwortungsübernahme und Resilienz. Das Dokument 1 fördert diese Haltung massiv, indem es Werkzeuge (Lagekarte, Führungsvorgang) bereitstellt, die Chaos beherrschbar machen. Wer eine Lagekarte führt, manifestiert seinen Willen zur Ordnung des Chaos – ein Akt internaler Kontrolle.
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Externaler Locus of Control: Die Überzeugung: „Das Chaos ist zu groß, ich bin Opfer der Umstände.“ Dies führt in der Einsatzleitung zu Passivität, dem bloßen „Verwalten“ der Lage oder Panik.16 Stress tendiert dazu, den Locus of Control nach außen zu verschieben (Gefühl des Ausgeliefertseins).
Der rigide Führungsprozess dient als kognitives „Geländer“, um den Locus of Control internal zu halten. Indem ich mich zwinge, die Lage zu festzustellen, zu beurteilen und zu entschließen, zwinge ich mein Gehirn in den Fahrersitz zurück. „Competence + Confidence – Control = Trouble“ 16 fasst zusammen, warum die Illusion oder Realität der Kontrolle für die psychische Stabilität der Führungskraft essenziell ist.
2. Das Highlander-Prinzip und die Einsamkeit der Führung
Im Katastrophenschutz gilt oft das Prinzip der unteilbaren Verantwortung (manchmal „Highlander-Prinzip“ genannt – es kann nur einen Gesamteinsatzleiter geben).17 Das Dokument 1 betont, dass Verantwortung unteilbar ist, auch wenn Aufgaben delegiert werden.
Psychologisch erzeugt dies eine immense Last, die zu Decision Inertia (Entscheidungsträgheit) führen kann – der Angst, durch eine falsche Entscheidung Schuld auf sich zu laden. Das Dokument bekämpft dies durch Objektivierung: Das Abwägen von Möglichkeiten 1 wandelt die vage Angst „Mache ich einen Fehler?“ in eine konkrete, rationale Abwägung „Hat Möglichkeit A mehr Nachteile als B?“. Dies ist eine Technik der kognitiven Neubewertung (Cognitive Reappraisal). Verantwortung zu übernehmen bedeutet hier auch, die Einsamkeit der Entscheidung zu akzeptieren. Am Ende muss eine Person sagen: „Wir machen das jetzt so.“
3. Mut zur Lücke: Heuristiken vs. Analytik
Das Dokument erwähnt den „Mut zur Lücke“ implizit durch die Forderung nach Schnelligkeit und die Akzeptanz, dass Lagebilder nie perfekt sind („Nichts ist so beständig wie die Lageänderung“ 1). In der Naturalistic Decision Making (NDM) Forschung wissen wir, dass Experten in Krisen selten alle Optionen analytisch vergleichen, sondern oft auf Recognition-Primed Decision Making (RPD) zurückgreifen – sie erkennen Muster.
Der Text 1 warnt jedoch davor, nur dem ersten Impuls zu folgen („Vermeiden von Impulshandlungen“ 1). Hier liegt eine feine psychologische Nuance: Intuition ist wertvoll, aber fehleranfällig unter Stress. Der strukturierte Prozess (Beurteilung → Entschluss) ist das Sicherheitsnetz. Die „Entscheidungsfreude“ ist also die Balance aus Intuition (schnelles Erfassen) und Disziplin (kurzes Überprüfen). Das „Ten-for-Ten“-Prinzip 1 ist genau der Mechanismus, der verhindert, dass RPD in blinden Aktionismus umschlägt.
Verknüpfungen
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Führungsvorgang – Das Werkzeug zur Generierung von Entscheidungen.
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] – Die Fähigkeit, den Druck der Verantwortung zu tragen.
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Locus of Control – Die psychologische Basis für proaktives Handeln.
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Umgang mit Chaos – Die Voraussetzung für klare Gedanken.